In letzter Zeit
werde ich immer häufiger von unseren Kunden gefragt, ob hybrides
Projektmanagement sinnvoll sei. Ob man damit zu erfolgreicheren Projekten komme
und wie man den optimalen Methodenmix findet?
Zunächst möchte ich
auf einen für mich wesentlichen Unterschied der beiden zentralen Ansätze
aufmerksam machen: Agile Methoden stellen den Kundennutzen, die schnelle Lieferung und die Flexibilität in der Priorisierung von Teilergebnissen in den Mittelpunkt
ihrer Überlegungen. Das klassische Projektmanagement fokussiert das Projektobjekt,
das, wie z.B. im Anlagenbau, mit möglichst hoher Sachkenntnis detailliert beschrieben, geplant und punktgenau geliefert wird.
Welche Methode eignet sich im
Projektmanagement?
Die beste Methode
oder den richtigen Mix zu wählen ist einfach und kompliziert zugleich:
Einerseits war es schon immer sinnvoll, die Vorgehensweise an das Projekt
anzupassen und nicht umgekehrt. Andererseits erfordert es aber fundierte
Kenntnisse der einzelnen Methoden und die Fähigkeit auf der Metaebene zu denken,
wenn der Einsatz einzelner Methoden sinnvoll kombiniert werden soll.
Bei Consensa hilft
uns dabei der selbst entwickelte Ansatz des prozessorientierten Projektmanagements,
der aus meiner Sicht die passenden Fragen für projektspezifische Überlegungen liefern
kann. Er bietet unter anderem das Metamodell der vier Prozessebenen in der
Projektarbeit. Mit dessen Hilfe lassen sich zunächst die richtigen Fragen stellen,
um dann den jeweils passenden Ansatz fürs eigene Projekt auszuwählen:
Produktentstehungsprozess
Die zentrale Aufgabe
dieser ersten Prozessebene ist es, Ergebnisse zu liefern, die nachhaltigen
Nutzen generieren:
- Wie sorgen wir für die optimale fachliche Qualität der Projektergebnisse?
- Wie werden Anforderungen definiert und wer ist daran beteiligt?
- Wie werden Änderungserfordernisse berücksichtigt?
- Wie wird sichergestellt, dass das Projektteam alle erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat?
- Wie und zu welchem Zeitpunkt werden die Ergebnisse abgenommen?
Die agile
Arbeitsweise stellt hier den Kundennutzen in den Vordergrund. In schnellen
Lieferzyklen werden direkt nutzbare Teilergebnisse geliefert, überprüft und im besten
Fall gleich eingesetzt. Das hilft enorm, um auf das Wesentliche fokussiert zu
bleiben. Andererseits spielt die Expertise des Lieferanten und der dazugehörigen
Experten (z.B. Prüfingenieure) in klassischen Vorgehensweisen eine deutlich
zentralere Rolle. Das kann in sehr komplexen und sicherheitsrelevanten
Projekten, wie z.B. dem Anlagenbau, eine große Rolle spielen.
Die einzelnen
Schulen beantworten also die oben genannten Fragen sehr unterschiedlich.Folglich
ist projektabhängig zu beurteilen, was hier der beste Weg sein kann. So kann
z.B. eine genaue technische Spezifizierung im Anlagenbau deutlich sinnvoller
sein, als in der Entwicklung einer Website, in der die Flexibilität eines
agilen Product Backlogs große Vorteile bringt.
Projektplanungs- und Controllingprozess
Auf dieser Ebene
geht es im Wesentlichen um die Frage, in welcher Bearbeitungslogik das Projekt durchgeführt
und wie der Fortschritt beurteilt wird.
- Können wir iterativ (agil) arbeiten oder brauchen wir klar abgegrenzte Phasen?
- Wie detailliert und wie vorausschauend müssen einzelne Aufgaben geplant werden?
- Können wir in festen Blöcken (Sprints) arbeiten oder müssen wir die Aufteilung der Zeitschiene von benötigten Ergebnissen abhängig machen?
- Wie stellen wir fest, ob wir zeitlich und kostenmäßig im Budget bleiben?
Meiner Erfahrung
nach ist die Frage nach dem richtigen Vorgehen noch komplexer als die Frage
„agil oder klassisch“? Stattdessen sollten funktionale Kriterien berücksichtigt
werden, wie z.B. diese: Ist es sinnvoll Teilergebnisse zu nutzen? Wie kann die
Akzeptanz der Beteiligten am ehesten sichergestellt werden?
Die Entscheidungen
für den richtigen Mix können nur abhängig von der Art des Projektes, der
Verfügbarkeit des Projektteams und seiner Einbettung in den Kontext eines
Unternehmens und seiner Partner gefällt werden. In vielen Projekten kann die
Bearbeitungslogik auch abschnittweise oder in Teilaspekten eines Projektes variiert
werden.
Teamentwicklungsprozess
Der
Teamentwicklungsprozess hilft, eine optimale Zusammenarbeit des Projektteams zu
gewährleisten:
- Welche Rollen brauchen wir im Team und wie spielen sie zusammen?
- Wie wird das Team geführt?
- Wie sorgen wir für gute Kommunikation?
- Wie sorgen wir für eine transparente Information und Ablage?
- Wie sorgen wir dafür, dass das Team lernt und sich einzelne Mitglieder persönlich weiterentwickeln können?
Die Zusammenarbeit
im Team wird in klassischen Projekten eher von der Projektleitung bestimmt, während
in agilen Projekten das Prinzip der Selbstorganisation im Mittelpunkt steht. Interessant ist es
auch, sich in der Gestaltung der eigenen Rolle von den Rollen in anderen
Ansätzen inspirieren zu lassen. Natürlich kann auch die klassische Projektleitung
dem Team so viel Freiheit wie möglich geben und auf diesem Weg optimale Ergebnisse
befördern.
Unabhängig von der
jeweiligen Schule spielt bei der Ausgestaltung der einzelnen Rollen auch der
Reifegrad eines Teams eine wichtige Rolle.
Entscheidungsprozess
Der
Entscheidungsprozess sorgt für eine optimale Zusammenarbeit mit Kunden und
Auftraggebern und bindet Stakeholder und spätere Nutzer so ein, dass das Projekt
nachhaltig erfolgreich wird:
- Wie arbeiten wir mit Auftraggeber/Sponsor zusammen?
- Wie binden wir wichtige Stakeholder ein?
- Wie sorgen wir dafür, dass spätere Nutzer die Ergebnisse umsetzen können?
- Wie sorgen wir dafür, dass mit dem Projekt einhergehende Veränderungen akzeptiert werden (Changemanagement)?
Die Gestaltung des
Entscheidungsprozesses wird in agilen Ansätzen meistens in die Hand des Product
Owners gelegt, der mit der oben beschriebenen Komplexität oft überfordert ist.
Hier sollte immer geprüft werden, ob es nicht effektiver sein kann, klassische Instrumente
wie z.B. einen Lenkungsausschuss zu bemühen, der dann wiederum als Multiplikator
für die in
einer Organisation
notwendigen Veränderungen dienen kann.
Unabhängig vom
jeweiligen methodischen Ansatz habe ich erfahren, dass kulturelle Aspekte (wie
z.B Wertschätzung und Augenhöhe) für erfolgreiche Projekte viel bedeutender
sind, als die Frage „agil oder klassisch?“. Ich werde diese Frage in einem der nächsten
Blogs noch genauer beleuchten.
Hybrides Projektmanagement benötigt Metamodell und kulturelle Entwicklung
Am Ende dieser
Überlegungen bleibt festzustellen, dass es bei der Wahl des richtigen Ansatzes
kein grundsätzliches „richtig“ oder „falsch“ gibt. Ein sinnvoll gestaltetes hybrides
Vorgehen entscheidet punktuell und im Kontext des einzelnen Projektes wie
einzelne Methoden kombiniert werden können. Dabei sollte beachtet werden, dass Entscheidungen
auf einer der vier Prozessebenen immer auch Entscheidungen auf den anderen Prozessebenen
nach sich ziehen. So wird es z.B. kaum möglich sein, einen lupenreinen agilen
Projektansatz zu fahren und den Product Owner einfach durch einen klassischen
Steuerkreis zu ersetzen, der üblicherweise nur alle zwei Monate tagt.
Um diese
Zusammenhänge zu beachten und nicht nur ein beliebiges Stückwerk von
methodischen Fragmenten zu verwenden ist aus meiner Sicht ein Metamodell
unerlässlich. Jeder geeignete
methodische Weg ob agil, klassisch oder hybrid muss jedoch gleichzeitig am Ende
mit einer Kultur exzellenter Zusammenarbeit untersetzt werden, die für den
Erfolg eines Projektes immer eine entscheidende Rolle spielt.
Neugierig bin ich
wie andere erfahrene ProjektmangerInnen die Frage nach dem Metamodell sehen?
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ich bin sehr gespannt auf Feedback zu
diesen Ideen und die dazugehörige fachliche Diskussion.